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Mit Downsyndrom bei KIKA: "Dein Song"

„Die Menschen sollen darüber nachdenken, wie es ist, anders zu sein“ – Interview mit „Dein Song 2021“-Kandidat Lucas Löffelmann

Cast der diesjährigen Staffel "Dein Song" auf einer großen Wiese.
Cast der diesjährigen Staffel "Dein Song". Foto: Andrea Enderlein

Von Lydia Schmölzl

Lucas hat herausragendes Taktgefühl und eine brennende Leidenschaft für Musik. Was Lucas außerdem hat, ist eine geistige Behinderung. Er wurde mit Downsyndrom geboren. Statt sich davon aber ausbremsen zu lassen, hat der achtzehnjährige Kölner die Erfahrungen, die er als Jugendlicher gemacht hat, in Musik verwandelt. „Leben mit Einschränkung“ ist nicht nur Lucas’ erstes selbst geschriebenes Lied, es ist auch der Song, mit dem er sich erfolgreich bei dem KiKA Songwriter-Wettbewerb „Dein Song“ beworben hat.

Wir haben Lucas, seine Mutter Birgit Schmitz und Lucas’ musikalische Assistenz André von Borstel zum gemeinsamen, virtuellen Interview getroffen.

Porträt von Lucas
Foto: Birgitta Petershagen

Hallo zusammen, schön, dass ihr euch Zeit für uns nehmt. Lucas, wie bist du denn eigentlich auf die Idee gekommen, dich bei „Dein Song“ zu bewerben?

Lucas: Ich gucke die Show schon ziemlich lange, seit 2013, und seitdem wollte ich mich eigentlich auch selbst bewerben. „Dein Song“ ist nicht wie viele der anderen Castingshows, sondern die Teilnehmer sind alle wie die Kinder und Jugendlichen von nebenan im Prinzip. Ich erinnere mich noch genau an die Gewinner der letzten Jahre, an Leontina und an Pier Luca zum Beispiel, der der jüngste Gewinner jemals war.

Außerdem geht es auch nicht um die beste Stimme oder den besten Auftritt. Wer gewinnt, wird nicht Super- oder Megastar genannt, sondern „Songwriter des Jahres“. Das finde ich irgendwie besser.

Birgit Schmitz: Ich erinnere mich noch genau daran, dass Lucas jedes Jahr nach Ende der Staffel gesagt hat, dass er sich nächstes Jahr bewerben will. Wir haben das erst gar nicht so ernst genommen. In unserer Familie macht niemand Musik, keiner spielt ein Instrument. Wir sind alle eher Sportler. Hinzu kommt dann natürlich auch Lucas’ Behinderung. Wir haben es schlicht nicht für realistisch gehalten, dass er an dieser Show teilnehmen kann. Aber er hat uns mal wieder eines Besseren belehrt.

Lucas mit Noten vor einem Mikrofon
Erste Versuche am Mikrofon im Studio von André von Borstel. Foto: Birgit Schmitz

Und wie genau lief der Bewerbungsprozess dann ab, nachdem klar war, dass es dir sehr wohl ernst ist mit deiner Teilnahme?

Lucas: Zuerst brauchte ich ja einen Song. Und das war tatsächlich gar nicht so einfach für mich, weil ich mir immer über alles sehr viele Gedanken mache. Das war dann hier genauso. Deswegen geht es in „Leben mit Einschränkung“ auch nicht nur um Behinderung. Es geht auch darum, wie wir unseren Planeten schützen können, wie wir alle besser aufeinander aufpassen und miteinander umgehen können. Ich hatte da so viele Ideen, dass André und ich ein Jahr lang an dem Song geschrieben haben. Als das dann erstmal geschafft war, war es gar nicht mehr so viel Arbeit. Wir haben das Stück zusammen mit den Bewerbungsformularen zu KiKA geschickt und abgewartet.

André von Borstel: Mit Lucas ein Lied zu schreiben, war schon etwas Besonderes. Das lief so ab, dass Lucas bei mir im Studio vorbeigekommen ist und mir erst einmal erzählt hat, was er gerne musikalisch verarbeiten würde. Er hatte so viele Ideen für sein Lied; teilweise lagen hier ordnerweise Ideen, Sätze und Wörter herum, die Lucas alle in seinem Song haben wollte. Dann haben wir versucht, Melodien zu finden und zu entwickeln, die zu ihm passen und ihm gefallen. Im Endeffekt haben wir Lucas’ Song über 1.000 mal aufgenommen und so lange zusammen geschmolzen, bis das Lied wirklich komplett ihn und seine Welt widergespiegelt hat.

Hattet ihr Sorgen, dass Lucas aufgrund seiner Behinderung benachteiligt werden könnte?

Lucas: Nein, da hatte ich keine Sorgen. Das war für mich eigentlich nie ein Thema.

Birgit Schmitz: Ich muss sagen, dass der KiKA sich da super bemüht und auf alles eingelassen hat. Wenn sie etwas nicht wussten, haben sie nachgefragt. So fand schnell ein guter Austausch zwischen uns, dem Sender und der Produktionsfirma statt. Am Ende war allen wichtig, dass Lucas genau das bekommt, was er braucht, um gut Musik machen zu können.

Lucas und André vor dem Briefkasten, die Bewerbungsunterlagen in den Händen.
Kurz bevor die Bewerbungsunterlagen sich auf den Weg gemacht haben. Foto: Birgit Schmitz

Seit wann machst du denn aktiv Musik, Lucas?

Lucas: Also, eigentlich begleitet mich die Liebe zur Musik schon mein ganzes Leben. Als Kind habe ich ständig gesungen. Zuerst Weihnachtslieder, dann Karnevalslieder und dann, so ab 2014, auch mehr Deutschrock und -pop, wie Andreas Bourani, Sarah Connor und Die Toten Hosen. Wenn es möglich ist, gehe ich auch gerne auf Konzerte.

Das mit dem Schlagzeug fing vor drei Jahren an, da habe ich André zum ersten Mal getroffen. Wir haben zuerst an der Gitarre und am Klavier herumprobiert, aber diese Instrumente sind aufgrund meiner verkürzten Fingerglieder für mich schwierig zu spielen. Schlagzeug geht dafür umso besser. (grinst)

André von Borstel: Genau, wir haben schnell gemerkt, dass Lucas ein unglaubliches Takt- und Rhythmusgefühl hat. Und wo ließe sich das besser zum Einsatz bringen als am Schlagzeug? Wir sind dann auf E-Drums umgestiegen und es wurde immer klarer, dass für Lucas hier ganz viel Entfaltungsraum besteht. Alle vier Gliedmaßen müssen beim Schlagzeug im Takt, aber unabhängig voneinander bewegt werden.

Lucas: Seit zwei Jahren bin ich jetzt in der Musikschule Nadja Schubert hier in Köln und habe Schlagzeugunterricht.

Dein Song heißt „Leben mit Einschränkung“. Welche Message möchtest du damit senden?

Lucas: Ich möchte auf der einen Seite, dass die Menschen verstehen, dass jeder Mensch verschieden ist und auf eine Art in seiner eigenen Welt lebt. Nicht nur ich oder Menschen mit Behinderung, sondern alle. Dann möchte ich natürlich auch zeigen, wie es speziell in meiner Welt aussieht. Wie es für mich ist und war, unter Jugendlichen aufzuwachsen, die keine oder eine andere Einschränkung haben. Dass das manchmal schwierig ist. Die Menschen sollen einfach darüber nachdenken, wie es ist, anders zu sein.

Lucas beim Soundcheck
Lucas beim Soundcheck. Foto: Birgit Schmitz

Was machst du, wenn du nicht gerade an neuen Songs arbeitest oder dich deiner Musikkarriere widmest?

Lucas: Ich mache viel Sport. Ausdauer, aber auch Muskelaufbau. Und ich hab noch ein Jahr , bis ich mit der Schule fertig bin. Das nimmt momentan noch viel Zeit in Anspruch.

Sooo viel Zeit bleibt aber neben der Musik auch gar nicht. Ich sitze eine Stunde pro Tag am Schlagzeug und schreibe außerdem gerade an meinem zweiten Song, in dem es vor allem um Freundschaft gehen wird und darum, wie es ist, wenn man einen Menschen hat, der immer für einen da ist.

Kannst du dir vorstellen, später professionell Musik zu machen oder ist das eher ein Hobby für dich?

Lucas: Also vorstellen kann ich mir das auf jeden Fall, aber es ist natürlich schwierig. Nicht nur für mich mit Downsyndrom, sondern einfach generell. Nicht viele Musiker schaffen das. Erstmal wünsche ich mir, eine eigene Band zu haben und dann, wenn Corona vorbei ist, auch endlich mal Live-Auftritte zu organisieren.

Was muss sich in der Musik- und Showindustrie ändern, um die Branche inklusiver zu machen?

Lucas: Eine schwierige Frage. Die Leute müssten noch mehr auf uns zugehen. Wir brauchen mehr Support und Rückhalt. Vor allem Menschen, die sich dafür Zeit nehmen wie André.

André von Borstel: Obwohl Lucas ein großes Musiktalent besitzt, braucht er zum Beispiel Unterstützung im Bereich der Schnitt- und Aufnahmeprogramme. Das Showbiz ist aber eine unglaublich schnelllebige Branche. Musiker müssen viel Druck aushalten und unheimlich flexibel sein, das steht der Inklusion schon einmal recht konträr entgegen. Es wäre sicher schön, wenn es mehr Menschen gäbe, die sich dazu entscheiden, musikalische Assistenz anzubieten.

Möchtet ihr zum Schluss noch etwas loswerden?

André von Borstel: Lucas hat eine einzigartige Ausstrahlung und tiefe Emotionen, vor allem auf der Bühne. Ich freue mich darauf, dass ihn bald auch die Fernsehzuschauer genau so sehen können, wie er ist.

Birgit Schmitz: Wir sind alle unendlich stolz auf Lucas. Vor allem dafür, dass er so hartnäckig ist und immer Wege findet, auch da, wo wir keine sehen. Das ist für mich das Größte an der ganzen Geschichte.

Lucas: Ich freue mich einfach auf die Ausstrahlung und auf die Reaktionen der Menschen! Und ich bedanke mich bei allen, die mich auf meinem Weg unterstützen!

Vielen Dank für das Interview. Wir drücken Lucas alle Daumen!